29 Anna Kachur aus Donetsk und Charkiv

2014 musste ich Donezk verlassen. Ich lebte dann 9 Jahre in Charkiw, arbeitete als Notarin. Die russische Invasion zwang uns zur Flucht aus Charkiw. Wir wussten, dass unser Weg in Richtung Westukraine führen musste. Unser Lebensretter war unser treuer Hund Bonifazij, den wir drei Monate vor dem Ausbruch des Krieges im weit entfernten Bezirk Tscherniwzi, tausend Kilometer entfernt, gekauft hatten. Die Menschen, von denen wir ihn gekauft hatten, nahmen uns auf wie Familienmitglieder. Sie zeigten uns, dass diese Welt voller Liebe ist.

Vor lauter Angst habe ich acht Kopfkissen für eine fünfköpfige Familie mitgenommen. Ich hatte Angst, dass wir frieren werden. Mein Talisman, ein kleines Eselchen, ist immer mit mir dabei. Wir sind sehr ehrfürchtig, unser Glaube hinderte uns daran, zwei orthodoxe Ikonen zurückzulassen. Ich glaube, sie haben uns beschützt.

Eine ganz besonders liebgewonnene Kaffeetasse begleitete mich auf der Reise, ohne sie fahre ich nirgendwohin; wir haben sie vor langer Zeit in Tschechien gekauft. Noch eine sehr sentimentale Sache – ein Parfüm, das mir mein Mann geschenkt hat, kurz nachdem wir uns kennenlernten, ein fast leeres Fläschchen.

Ich habe das Kuscheltier meines Kindes mitgenommen, es heißt Tschawka. Ich glaube, die Tochter hat es öfter angelächelt als mich. Noch etwas – ein Zebra, das nicht nur lachte, sondern sogar wieherte! Ich dachte mir, es sollte uns auf unserer Reise begleiten und uns aufheitern. Und mein Lieblingsschal.

Jetzt hat sich meine Weltanschauung komplett verändert. Nichts Materielles ist wichtig, vielleicht das Geld, das für das Familienleben notwendig ist. Hier sind die Menschen netter, ruhiger als in der Großstadt. Hier spielen die Kinder abends draußen, ich höre ihre Stimmen. Sie werden zum Helfen im Alltag mitgenommen. Ich habe so etwas in Charkiw nie gesehen! Nach eineinhalb Jahren fühle ich mich mit der Gemeinde hier verbunden.

Von hier würde ich etwas mitnehmen, was mit örtlichen Traditionen verbunden ist, Setzling einheimischer Arten, die mich an diese Zeit erinnern sollen. Was mich am meisten bewegt hat und was ich der Welt mitteilen möchte, ist die Wichtigkeit von Einigkeit und Würde, dass man sich gegenseitig unterstützen und jedem zeigen soll, dass er/sie nicht auf sich alleine gestellt ist, sondern das Land und die Menschen hinter ihm stehen. Wenn solch ein Schrecken in dein Haus, in deine Familie kommt – dann muss man zusammenhalten.